Über den Tellerrand hinaus und Höhenunterschiede hinweg
Aus Positioniersystem, Torantrieb und einer mutigen Vision entsteht flexibles Liftsystem.
Wenn sich ein weltweit führender Hersteller für modular aufgebaute Positioniersysteme mit einem renommierten Experten für den Antrieb und die Steuerung von Rollläden, Sonnenschutz und Toren zusammentut, denkt man an vieles – aber wohl kaum an eine kleine Revolution im Bereich barrierefreies Wohnen. Und dennoch ist genau das das erklärte Ziel eines ambitionierten Projekts zwischen der Bahr Modultechnik GmbH und der Becker-Antriebe GmbH. Die beiden Unternehmen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die „Lücke“ im Bereich Smart Home zu schließen und Barrierefreiheit im ursprünglichen Sinne – also die Überwindung von Höhenunterschieden – in jeder Situation innerhalb kürzester Zeit und ohne großen Bauaufwand zu realisieren. Denn ob Unfall, Krankheit oder Alter: Manchmal ist man schneller in seiner Mobilität eingeschränkt, als man es erwartet und will gerade dann auf eines nicht verzichten: das vertraute Leben in den eigenen vier Wänden. Für genau solche Fälle, aber auch für zahlreiche weitere Einsatzbereiche wie beispielsweise den allgemeinen Lastentransport oder Kantinen, hat Dirk Bahr, Mitgründer und Konstruktionsleiter bei Bahr
Modultechnik, jetzt ein spezielles Liftsystem mit Laderampe entwickelt und sich dabei Unterstützung von Becker geholt. „Als Spezialist für Antriebe und
Steuerungen bieten wir natürlich auch Systeme für die zentrale Hausautomatisierung, die das Leben im Alter oder bei körperlichen Einschränkungen enorm erleichtern. Doch was bringen mir solche Systeme, wenn ich nicht mehr alleine in meine Wohnung komme? Als Herr Bahr uns mit seiner Idee um Hilfe bat, waren wir deshalb sofort zur Stelle – auch wenn Liftsysteme für uns natürlich genauso wie für ihn selbst zunächst Neuland waren“, so Jens Hederer, der das Projekt bei Becker maßgeblich betreute.
Intensiver Austausch
Ein Bedarf im Freundeskreis seines Sohnes war für Dirk Bahr der Anlass, aktiv zu werden. Aufgrund seiner schweren Behinderung war dort ein im Rollstuhl sitzender
junger Mann permanent auf die Hilfe seines Vaters angewiesen, um in das bzw. aus dem Haus zu gelangen. Eine Treppe erschwerte den Zugang, sodass der Vater
seinen rund 80 kg schweren Sohn jedes Mal die Stufen hoch bzw. runter tragen musste. Für Dirk Bahr war deshalb klar: Hier muss eine Lösung her. Allerdings musste er genauso schnell feststellen, dass es keine Lösung „von der Stange“ gab, die auch nur ansatzweise den speziellen Anforderungen entsprach. Also nutzte er sein fundiertes Know-how im Bereich Positionierungssysteme und entwickelte kurzerhand selbst ein Liftsystem. Die Freude und spürbare Erleichterung der befreundeten Familie spornte ihn schließlich an, seine Entwicklung weiter voranzutreiben und zu perfektionieren. Die entscheidende Frage war: Wie schafft man es, dass der Lift möglichst „weich“ anfährt und stoppt, um gerade älteren oder kranken Personen angstfreies Fahren zu ermöglichen? Mit Becker fand er schließlich genau den richtigen Partner, um diese Herausforderung zu lösen – und zwar durch einen modifizierten Torantrieb inklusive Frequenzumrichtersteuerung, der normalerweise dafür sorgt, Industrietore schnell
und schonend zu öffnen bzw. zu schließen. „Das Wichtigste für uns war zu verstehen, was Herr Bahr sich genau wünscht. Deshalb haben wir ihn einfach eingeladen, um uns im persönlichen Gespräch über seine Idee auszutauschen“, erinnert sich Jens Hederer. „Durch das gemeinsame Diskutieren und Tüfteln war dann schnell klar, wie wir unsere Lösung – die ja eigentlich für einen vollkommen anderen Anwendungsbereich entwickelt wurde – für seine spezifischen Anforderungen adaptieren mussten, sodass bereits der Prototyp nach minimalen Änderungen direkt passte.“
Aus Vision wird Wirklichkeit
Für den gewünschten Fahrkomfort sorgt neben dem adaptierten Torantrieb mit 112 Umdrehungen/Minute vor allem die zugehörige Frequenzumrichtersteuerung.
Diese ermöglicht ein sanftes Anfahren und Stoppen des Liftes und schont auf diese Weise auch die Mechanik. Neben der Geschwindigkeit lassen sich darüber hinaus
ganz einfach verschiedene Sicherheitsaspekte regeln. So fährt der Lift zum Beispiel nur los, wenn seine Tür geschlossen ist. Einmal in Fahrt, überwindet der Lift in der Standard-Ausführung mühelos einen Höhenunterschied bis 1,20 m und trägt dabei ein maximales Gewicht von 400 kg. Der besondere Vorteil des Systems im Vergleich zu anderen Anbietern: Es ist direkt verfügbar und lässt sich schnell installieren, ohne groß in die Bausubstanz eingreifen zu müssen. „Wer auf Hilfe angewiesen ist, kann es sich oft nicht leisten, wochenlang auf einen Lift zu warten“, so Dirk Bahr. Von seiner Lösung wird er deshalb in Zukunft immer eine größere Anzahl auf Lager haben, die dann bei Bedarf direkt von einem Schlosser vor Ort montiert werden kann. Auch in Mietwohnungen lässt sich sein Liftsystem problemlos einbauen, denn wird der Lift nicht mehr benötigt, ist er dank seiner filigranen Konstruktion ebenso schnell wieder ausgebaut. Eines der ersten Modelle ist beim Ehepaar Feldner im Einsatz. Die beiden 76- und 78-Jährigen sind froh, endlich eine einfache Lösung gefunden zu haben, auch in Zukunft weiter ihr Leben in den eigenen vier Wänden zu genießen. Um der großen Nachfrage gerecht zu werden, ist Dirk Bahr momentan auf der Suche nach Partnern, denen er seine Lifte auch halbfertig liefern kann. Dies hat den Vorteil, dass sie dann vor Ort an die
individuellen Anforderungen angepasst werden können. Und auch auf Becker will Dirk Bahr weiter als starken Partner setzen. Denn schon dieses erste Projekt hat gezeigt: Gemeinsam ist man noch stärker.